Die Anfänge in den 80er Jahren

 


Seit Anfang der 80er Jahre treffen sich engagierte Familien mit behinderten und nicht behinderten Kindern zum gemeinsamen Beisammensein und Austausch auf Familienfreizeiten. Aus dem Spaß an den dort stattfindenden sportlichen Aktivitäten entstand der Wunsch nach einem regelmäßigen Sportangebot. Deshalb wurde im Juni 1982 auf Initiative von Dr. Uwe Rheker und Eva Kremliczek sowie zahlreichen engagierten Eltern die Familiensportgruppe gegründet, die sich bis heute zweimal im Monat in der Sporthalle der Universität Paderborn trifft. Das Sportangebot bedient dabei alle Wünsche von gemeinsamen Gruppenspielen, über Parcours und Trampolin, Gymnastik und Tanz, bis hin zum Mannschaftssport, wo alle Sportler am Ende müde aber glücklich sind.

Mit der Zeit konnten immer mehr Familien für die Sportgruppe gewonnen werden, denn die Sonderschule für geistig behinderte Kinder und die Behindertenwerkstätten „Schlosswerkstätten“ sind in Paderborn Schloß Neuhaus angesiedelt. Aus diesem Grund suchte man zur einfacheren Organisation und besseren Integration einen Regelverein und gründete keinen neuen eigenen Verein. Dies führte zu der Besonderheit unseres Vereins: Die Turnabteilung der TuRa Elsen gründete mit den Familien der Familiensportgruppe eine Behindertensportabteilung als Unterabteilung. Damit wurde ein Behindertensportverein vollständig in einen großen Sportverein für nicht behinderte Menschen integriert und nimmt wie selbstverständlich am Vereinsgeschehen teil. Nicht nur die behinderten Sportler erleben die Integration, auch die TuRa, allen voran die Turnabteilung, hat nun ständig Berührung mit den behinderten Sportlern.

So ist es in der Folgezeit üblich, dass an den Kinder- und Jugendfreizeiten der TuRa auch regelmäßig geistig behinderte Kinder mitfahren und (unbewusst) zur Förderung sozialer Kompetenzen und einem vernünftigen Miteinander beitragen.

Die 90er Jahre

Das Freizeitsportangebot unseres Vereins wird seit Beginn der 90er Jahre von einer Sportgruppe für Jugendliche/junge Erwachsene ergänzt, die einen Schwerpunkt auf Teamgeist, aber auch auf Wettkampf setzt. Jene Gruppe trifft sich wöchentlich in einer Sporthalle in Elsen zu Bewegungsspielen aller Art. Aus dieser räumlichen Nähe zum Dachverein TuRa Elsen entwickelte sich schon bald eine nun zehnjährige Tradition: Einmal pro Jahr lädt unsere Sportgruppe Jugendliche der Turnabteilung zum gemeinsamen Spiel ein. Dabei macht es allen viel Spaß, sich in beliebten Mannschaftssportarten wie Völkerball und Basketball zu messen. Für obligatorische erfrischende Getränke sorgt jeweils die unterlegene Vereinsabteilung des Vorjahres, wobei dies natürlich auf Grund der gemischten Mannschaften nicht immer eindeutig zu klären ist.

Alle diese Sportgruppen setzen wie in jedem Vereinssport ein gewisses Engagement von Seiten der Sportler und Familien voraus, um beispielsweise zu den Sportstätten zu gelangen und an den Terminen teilnehmen zu können. Es gibt aber viele Erwachsene, die seit vielen Jahren in Behindertenwerkstätten arbeiten und durch ihre so erlernten Selbständigkeit nicht mehr auf die Familie angewiesen sein wollen, nicht mehr zu Hause leben wollen. Deshalb ziehen sie in Wohnheimen und betreuten Wohngemeinschaften zusammen. Speziell für diese Bewohner, die meist auch gemeinsam arbeiten, gibt es wöchentliche, so genannte Wohnheimsportgruppen, bei denen die Übungsleiter zu den Sportlern hinkommen und so für Abwechslung im Alltag sorgen.

Das Thema „(Sportliche) Abwechslung im Alltag“ führt direkt zu einer weiteren Besonderheit unseres Vereins: Seit 1995 übernimmt die TuRa Elsen Behindertensportabteilung mit der Unterstützung des Stadtsportverbandes Paderborn e.V. den Betriebssport als Teil des begleitenden Dienstes der Caritas in den Behindertenwerkstätten „Schlosswerkstätten“ Paderborns. Damals hat der Träger der Betriebsstätten die Gelder für einen Sportlehrer gestrichen. Durch unsere Arbeit als Behindertensportverein und unsere Bemühungen um Integration, haben wir uns entschieden, diese Lücke auszufüllen. Damit ist ein Projekt entstanden, das in Deutschland einzigartig ist und bis heute funktioniert und harmoniert. Der Verein organisiert das Sportangebot in den Werkstätten und integriert sich und den Sport damit in den Berufsalltag der geistig behinderten Menschen. Sport und die Freude an Bewegung ist damit für alle erfahrbar. Auch die, die an den Freizeitsportangeboten nicht teilnehmen können, sei es aus örtlichen, zeitlichen oder sozialen Disparitäten, haben nun während der Arbeitszeit die Möglichkeit dazu. Der begleitende Dienst der Caritas, mit dem unser Verein und der Stadtsportverband Paderborn für das Sportangebot zusammenarbeiten, bietet allen Mitarbeitern der Werkstätten zwei Maßnahmen an. Diese sind dank der TuRa neben Koch- und Bastelkursen im Wesentlichen Sportangebote: Heute gibt es rund 20 Sportgruppen in fünf Betriebsstätten, die sich in die drei Hauptbereiche Bewegungsspiele, Gymnastik/Tanz und Schwimmen gliedern.

Auf Grund der beim Verein liegenden Verantwortlichkeiten hat unser Verein mit diesem Projekt viele neue Mitglieder hinzugewonnen und tut dies stetig. Auf diese Weise werden die Mitarbeiter der Werkstätten auch gleich in den Gesamtverein TuRa Elsen integriert und nehmen ganz selbstverständlich an Vereinsveranstaltungen teil.

Heute hat unsere Abteilung für Behindertensport rund 350 bis 400 Mitglieder, von denen zwar einige nur noch sporadisch am Sport teilnehmen, die Mehrheit regelmäßig ein oder mehrere Sportangebote wahrnimmt.

Diese beschriebene Zusammenarbeit unseres Vereins mit den Werkstätten, dem begleitenden Dienst und dem Stadtsportverband Paderborn ist auch Grundlage eines weiteren großen, erfolgreichen und integrativen Projektes, das unser Verein seit vielen Jahren mit seiner Teilnahme unterstützt: den Special Olympics.

Seit den National Games 1998 in Stuttgart nehmen wir regelmäßig an den Wettkämpfen für geistig behinderte Menschen teil, und zwar auf allen Ebenen, von der kommunalen bis zur internationalen. Ganz aktuell konnten wir zwei unserer Frauen nach Shanghai  zu den World Summer Games 2007 entsenden, die auch sehr erfolgreich mit einer Fülle an Eindrücken, einer Gold- und zwei Bronzemedaillen  zurück gekehrt sind.

Für die Sportler selber stehen neben den zahlreichen persönlichen Erfolgen vor allem auch die Kontakte zu anderen Sportlern und natürlich zu den vielen freiwilligen Helfern im Vordergrund. Der Leitspruch „Lasst mich gewinnen, doch wenn ich nicht gewinnen kann, so lasst mich mutig mein Bestes geben.“ ist bei allen unseren Sportlern fest verankert. Und wenn sie mal nicht gewinnen können, so ärgern sie sich zwar zuweilen, aber sie genießen dann eben die Wettkampfatmosphäre, den Kontakt mit anderen Sportlern unterschiedlicher Herkunft und die Aufmerksamkeit der Zuschauer und Volunteers, die sich immer sehr gut um die Sportler kümmern.

 

Das neue Jahrtausend

Diesem professionellen Sport schulden wir auch eine Schwimmgruppe, die seit einigen Jahren vielen Sportlern einen ordentlichen Schwimmstil beibringt. Und damit die Sportler nicht nur in die Ferne ziehen müssen, entstand bei uns der Wunsch, eigene Schwimmwettkämpfe auf Landesebene durchzuführen. Heute blicken wir mit ein bisschen Stolz auf zwei Special Olympics Schwimmspiele NRW, 2002 und 2005, zurück, die landesweit Anerkennung fanden. Der besondere integrative Aspekt war dabei sicherlich die Kooperation mit Paderborner Schulen. Junge Menschen, die teilweise nur aus dem Biologieunterricht von geistiger Behinderung gehört hatten, traten ganz unbefangen als freiwillige Helfer mit den Sportlern in direkten Kontakt. Diese Integration in anderer Richtung war auch den Sportlern selber bewusst, die sich untereinander ja kannten und sich als „Hausherren“ präsentieren konnten. Sie versuchten den Schülern das Aufeinandertreffen zu erleichtern, indem sie von sich aus das Gespräch suchten und ihnen mit besonderer Anstrengung auch ein bisschen imponierten.

Dass derartiges Miteinander auch auf Dauer Früchte trägt, zeigt die Tatsache, dass sich nach den Wettkämpfen einige Jugendliche meldeten, um in Sportgruppen weiterhin den Kontakt zu erhalten. Sie tun das bis heute als Mitspieler und Gruppenhelfer und tragen damit immer wieder zur Förderung und zum Ansporn unserer Sportler bei.

Integriert in die Riege der erfolgreichen SportlerInnen der Stadt Paderborn sind unsere Sportler bei der alljährlichen Sportlerehrung im Rathaus und sorgen durch überschwängliche Freude und gezeigte Emotionen für gute Stimmung.

Nachdem nun schon die gelebte Integration in unserem Behindertensportverein unter diversen Aspekten dargestellt wurde (generationenübergreifend in Familiensport, Familienschwimmen; Kontakt nicht behinderter Menschen zum Behindertensportverein auf Wettkämpfen und der Sportgruppe für junge Erwachsene; Freizeitgestaltung bei Kinderfreizeiten), soll auch noch die Bedeutung unseres Vereins und sein Wirken für die Integration innerhalb der Stadt Paderborn an einem besonderen Beispiel verdeutlicht werden: dem „Integrativen Sportfest“.

Dieses Jahr findet zum zehnten Mal in Folge unter dem Motto „Together in Motion“ ein integratives Sportfest statt. Dieses Sportfest wird vom Stadtsportverband Paderborn organisiert und bietet Sportvereinen und -gruppen aus dem Leistungssport, dem Behindertensport und diversen Sportarten immer wieder die Möglichkeit, sich einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Zum einen können die Vereine Mitmachangebote bereitstellen und den aktiven Besucher miterleben lassen, was beispielsweise Breitensport mit behinderten Menschen bedeutet, wie sich Basketball im Rollstuhl anfühlt oder wie man einen Abschlag beim Golf macht. Zum anderen können sich Gruppen und Vereinsabteilungen auch mit einer Darbietung im anschließenden Showprogramm präsentieren. Bei durchschnittlich einigen hundert Besuchern treten neben Kinderturngruppen, Fahnenschwenkern, Rhönradfahrern u.a. auch immer unsere geistig behinderten Sportler zweier Tanzgruppen gemeinsam auf und begeistern Freunde und Zuschauer.

Außerdem wird dieser Rahmen genutzt, um erfolgreiche Special Olympics -Teilnehmer des vorangegangenen Jahres zu ehren.

Abschließend können wir also in unserem Verein mit Stolz auf gelebte Integration in beide Richtungen schauen. Unsere Bemühungen in der Stadt Paderborn für eine verantwortungsbewusste Integration geistig behinderter Mitmenschen hat mit Hilfe des Sports großen Anklang gefunden und für ein gegenseitiges Bewusstsein füreinander geführt, in dem sich beide „Seiten“ wohl fühlen. Dennoch ruhen wir uns darauf nicht aus, sondern versuchen weiterhin, das bestehende Sportangebot zu erhalten und zu erweitern, um möglichst vielen behinderten Menschen die Teilnahme am Sport zu ermöglichen. Genauso intensiv sind unsere Bemühungen, auch in der Kommune ein stetes Interesse an unserer Vereinsarbeit wach zu halten, noch mehr Menschen für den Behindertensport zu sensibilisieren und für eine Unterstützung zu gewinnen.

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